Naturisten müssen Flagge zeigen
von Christoph Müller
Freikörperkultur und Sicherheit sind aktuelles Thema Für FKK-Begeisterte sind Fragen der Sicherheit immer häufiger relevant. Die Bedrohung durch technische Möglichkeiten, aber auch eine reduzierte Bereitschaft, die Grenzen des Gegenübers zu akzeptieren, sind Phänomene, gegen die sich FKK-Begeisterte rüsten müssen. Die Präsidentin der Internationalen Naturisten-Föderation (INF-FNI), Sieglinde Ivo, hat sich dem Gespräch gestellt.
Liebe Sieglinde, Sicherheit wird mit Risikoarmut bzw. Risikofreiheit gedacht. Welchen Risiken müssen FKK-Begeisterte in die Augen sehen? Ein offensichtliches Risiko liegt in den zeitgenössischen technischen Geräten. In früheren Jahren sind wir an den FKK-Strand gegangen und haben unsere Ruhe gehabt. Wenn Menschen am Strand Fotos gemacht haben, ist es meist eine Selbstverständlichkeit gewesen, die Grenzen der Mitmenschen zu akzeptieren. Wenn heute jemand sein Smartphone dabei hat, weiß niemand, ob nicht Sekunden später Fotos oder Filme im Netz sind. Dies ist eine große Gefahr für die Freikörperkultur. Gerade Kinder und Jugendliche brauchen in diesem Kontext unbedingt Schutz und eine Null-Toleranz.
Wie soll dies gelingen? Es ist doch fast unmöglich, oder? Sicherheit ist in meinen Augen eine ganz individuelle Aufgabe. Ich glaube, dass es darum geht, Flagge zu zeigen, wenn etwas unheimlich erscheint. Flagge zu zeigen kann beispielsweise heißen, die Polizei zu holen, wenn man den Verdacht hat, dass jemand mit einer in einer Tasche versteckten Kamera filmt. Dies ist schon öfters vorgekommen, deshalb komme ich darauf. Es kann notwendig sein, jemanden einfach anzusprechen, wenn sie oder er zu häufig mit dem Smartphone am Strand handwerkelt. Ich brauche das Gefühl einer ganz subjektiven Sicherheit, sonst fühle ich mich an einem Strand nicht wohl.
Es bedeutet doch Sicherheit, sich auf ein FKK-Gelände zurückzuziehen. Wäre dies die Lösung? Für einzelne Menschen ist dies sicher die Lösung. Einzelne brauchen den Schutzraum eines Vereinsgeländes oder eines FKK-Campingplatzes. Dies kann jedoch nicht die generelle Lösung sein. In den vergangenen Jahrzehnten haben wir uns Freiheiten erkämpft, dass wir unbekleidet an Seen und Stränden, in Schwimmbädern und wo auch immer sein können. Diese Freiheit begründen wir in der Regel mit einer naturistischen Lebenshaltung. Ich bin nicht bereit, mir diese Freiheit nehmen zu lassen. Ich genieße, unbekleidet die Natur erleben zu können. Ich mag es, topless in der Sonne zu liegen. Dies soll auch so bleiben.
Dies klingt jetzt nach Eigensinn. Steht den Naturistinnen und Naturisten dies gut zu Gesicht? Natürlich. Als Naturistinnen und Naturisten sind wir Kinder unserer Zeit. In dieser Zeit prägen wir eine Kultur und eine Freikörperkultur. Dies ist auch gut so. Wenn wir gegenwärtig erleben, dass unterschiedliche kulturelle Prägungen aufeinandertreffen und möglicherweise auch die Freikörperkultur diskutiert wird, so kann ich nur sagen: „Wir müssen es uns wert sein, dass wir uns die Freiheit zum Unbekleidet-Sein nicht nehmen lassen.“ Die Überzeugung von etwas und zu etwas hat auch Sicherheit zur Folge, zumindest subjektiv.
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